Slumber
The Promise of Sleep
Das Versprechen des Schlafs

Sabine Tress’ 2024 entstandenen Malereien tragen Titel wie still sleeping, sleeping oder half awake. Sie erinnern an Betten, Federkissen, Ruheräume, Schlummerkojen, an sichere, schützende Schlaforte, Orte des Rückzugs, der Intimität und Vertrautheit.
Schlaf gehört wie Ernährung, Geboren-werden und Sterben zu den grundsätzlichen Parametern des Lebens, die uns als menschliches Individuum mit den meisten anderen Lebewesen verbinden. Jeder Mensch hat eine eigene Schlafbiografie, eigene Probleme, Anekdoten, Bedürfnisse, unterschiedliche Hilfsmittel und Accessoires die uns in den Schlaf begleiten. Ein erholsamer Schlaf ist ein Vorteil und in bestimmten Lebenssituationen und -lagen hart umkämpft, denn Schlafentzug ist mitunter fremdgesteuert und von äußeren Faktoren beeinflusst. In den Schlaf zu finden impliziert eine aktive Handlung, ein Bemühen, eine Leistung, das erfolgreiche Ausblenden des Alltags, der Verpflichtungen, Verantwortlichkeiten, von dem, was uns Nachdenken, Sorgen oder Glück bereitet. Dem Schlaf zu erliegen hingegen könnte man als Privileg beschreiben, ungeahnt und ohne Mühen hinüber in den Schlaf zu gleiten – gerade eben noch Vorkehrungen treffend für eine angenehme Bettruhe und schon eingetaucht sein in die andere Welt, die der Träume, Möglichkeiten und Irrationalitäten. Erschöpfung und Müdigkeit haben zwei Seiten und werden individuell und situationsbedingt bewertet.
Wenn wir die Augen geschlossen und in einen tiefen Schlaf gefunden haben, sind wir allein, abgeschottet vom Außen, auf uns gestellt. Wir sind nicht mehr Teil der sozialen, der gesellschaftlichen, der politischen Welt. Oder?, schreibt Theresia Enzensberger in ihrem Buch Schlafen (2024). Der Schlaf ist eine Leerstelle, eine nur begrenzt nutzbar zu machende phänomenologische Lücke, er nimmt viel Zeit in Anspruch und fordert spezielle Räume und Rahmenbedingungen ein. Das Dilemma des Kapitalismus ist Folgendes: Einerseits ist der Schlaf überflüssig, eine störende Verschwendung von Zeit, in der ein Mensch weder arbeiten noch konsumieren kann, andererseits ist die Produktivität eines wachen, arbeitenden Menschen direkt von der Qualität seines Schlafes abhängig. (Enzensberger).
In den Bildmotiven der (historischen) figürlichen Malerei sind Zustände des Schlafes, des Todes und der Ohnmacht in ihrer Abgrenzung zueinander häufig nur durch zusätzliches Beiwerk und Attribute erkennbar. In Sabine Tress‘ Bildern ist es der Raum, der den gemalten Schlaf umgibt, seine warmen, zurückgenommenen Farben und weichen Formen, die keine Missverständnisse aufkommen lassen. 

Ein-schlafen heißt, sich hinein-zu-schlafen, sich hinein in den Schlaf zu begeben, hinein in ein Bett, in ein Bild.

Ein Text von Lisa Alice Klosterkötter zur Ausstellung.

Spontronic, Cologne
04/07/24 - 14/07/24